Heute publiziert die F.A.Z. in ein- und derselben Ausgabe zwei Artikel, die ein absolut gegensätzliches Bild der Familienpolitik in Deutschland zeichnen. Leider nimmt sich die von mir sonst sehr geschätzte Zeitung aber der Thematik nicht weiter an. Immerhin kommentiert Dietrich Creutzburg auf S. 11 verhalten die „Teure Familienpolitik“ und das Eigenlob der Bundesregierung und befindet „Man muss nicht gleich an der Unabhängigkeit der Forschungsinstitute zweifeln, wenn man diesem politischen Ergebnis nicht so recht trauen mag.“ Darüber hätte man doch etwas Kluges, übergreifendes schreiben können? Und vor allem viel mehr, viel Kritischeres?
Bundesregierung lobt ihre eigene Familienpolitik
Die Titelseite macht mit der Überschrift „Bundesregierung lobt ihre eigene Familienpolitik“ auf. Gut, das kann man mit etwas kritischem Abstand als leicht ironisch interpretieren – das ist aber normalerweise nicht der Stil der Headlines auf dem Titel der F.A.Z.
Ein Leitkommentar ganz oben rechts erklärt uns, dass „die strikte Vereinbarkeit von Familie und Beruf im soldatischen Kampfeinsatz“ gefordert wird (Hallo!? Was ist denn das für ein Vergleich?). Und Fazit des kommentierenden Reinhard Müller ist: „Wer jedes Jahr hunderttausend Abtreibungen faktisch fördert, der sollte über fehlende Geburten nicht jammern“.
Entschuldigung, Herr Müller – erstens treibt wohl niemand leichtfertig ab, zweitens wäre noch die Frage zu stellen, warum sich die Frauen, die abtreiben, nicht in der Lage oder unterstützt sehen, ein Kind zu bekommen, und drittens hat das Thema Abtreibung mit der Familienpolitik in Deutschland nur am Rande zu tun. Vielmehr sollte man sich doch wohl fragen, warum Menschen mit Kinderwunsch keine Kinder in die Welt setzen oder ihren Kinderwunsch gar nicht entwickeln, weil es in ihrem Umfeld an positiv gelebten Vorbildern von Familie, Beruf und Glück fehlt?
Die Familienministerin hat also ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Instrumente der Familienförderung in Deutschland als sehr erfolgreich bewertet. Allenfalls einen gewissen Optimierungsbedarf an den „Schnittstellen“ mag man einsehen. Diese Phrase soll bedeuten, dass das Geld nicht optimal gestreut wird und auf zu viele Ämter und Stellen verteilt wird, die das Ganze unübersichtlich machen. Aha.
OECD kritisiert deutsche Familienpolitik
Der Wirtschaftsteil der F.A.Z. von heute berichtet auf S. 13, dass die OECD Deutschland massiv kritisiert für seine Familienpolitik. „Zu viele Finanzhilfen, zu wenig Kindergärten“ ist die Überschrift.
Wirklich interessant aber ist der Inhalt des Artikels bzw. der Kritik der OECD: Deutschland ist das einzige Land der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die immerhin 34 Mitgliedsstaaten hat, in dem das Alleinverdienermodell staatlich bevorzugt wird.
Konkret schreibt die F.A.Z: „Das hohe Kindergeld, Steuervorteile und das Ehegattensplitting seien in Deutschland Anreize für den Zweitverdiener, zuhause zu bleiben, kritisiert die OECD.“
Auch die „teilweise noch herrschende Diskussion um die Rabenmütter“ zeige, dass in Deutschland noch kulturelle Hindernisse für die Berufstätigkeit der Frau bestünden, was wiederum das Fortschreiten der Gleichberechtigung erschwere.
Im Klartext bedeutet das, dass wir aus Sicht der OECD rückständig sind. Ein Entwicklungsland. Kinder, so die OECD, „gehen in Deutschland häufig zu Lasten der Karriere und der finanziellen Ausstattung einer Frau“.
Ist es Zufall, dass diese beiden Ergebnisse am selben Tag erscheinen?
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Auch ohne Verschwörungstheorien anzuhängen, könnte man auf die Idee kommen, dass es schon ein sonderbarer Zufall ist, beide so konträren Einschätzungen zur deutschen Familienpolitik an einem Tag veröffentlicht zu sehen. Über die deutliche Kritik der OECD wurde bisher nicht so viel Aufhebens gemacht – da kann man schon auf die Idee kommen, dass diese unliebsamen Ergebnisse von positiven Nachrichten aus dem Familienministerium überlagert werden sollen. Oder?