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Ab 2017 länger Unterhaltsvorschuss – ist nun alles gut?

Am Freitag um 12:53 twitterte das Familienministerium etwas, das ich zwei Mal lesen musste – es ging um den Unterhaltsvorschuss.

Ziemlich überraschend wurde nämlich folgende frohe Botschaft von Familienministerin Manuela Schwesig verkündet:

Ich teilte die Nachricht auf Facebook und twitter und erntete ungläubiges Staunen. Auf einmal ging etwas, wofür Alleinerziehende über Jahre gekämpft hatten – das war fast zu schön, um wahr zu sein.

Und so schön es ist, wurden auch doch relativ schnell die ersten warnenden Stimmen unter den Alleinerziehenden laut, dass der Staat es den nicht zahlenden Elternteilen nun noch leichter mache, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Das sehe ich anders, und ich will auch gerne erklären, warum. Diese Änderung beim UVH hat nämlich gravierende Folgen, die ich allesamt als positiv einschätze:

1) Der Staat hat nun ein gesteigertes Interesse daran, sich das Geld von den nicht zahlenden Elternteilen zurückzuholen

  • Durch die Ausweitung der potentiellen Bezugsdauer des Unterhaltsvorschusses von maximal 6 auf jetzt 18 Jahre ist auch die Höhe der zu leistenden Zahlungen um ein mehrfaches höher: Platt überschlagen, etwa dreifach. Ohne zu berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt sich statistisch gesehen die meisten Eltern trennen, und dass der UHV in den verschiedenen Altersstufen unterschiedlich hoch ausfällt, nämlich zwischen 145 € und 194 € im Monat. Abgesehen davon kann der UHV auch ein Zuschuss sein, wenn ein zahlungspflichtiges Elternteil z.B. nur 30 € monatlichen Unterhalt zahlen kann, dann springt der Staat für die Differenz ein.
  • Die bisherige Rückholquote liegt bei mageren 23%, wobei es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt (Bayern 36%, Hamburg 14%, Bremen nur 11%). Ob dies nur an der mangelnden Zahlungsfähigkeit der getrennt lebenden Eltern liegt, ist noch nicht untersucht. Es würde aber sicher helfen, wenn es den Beistandschaften der Jugendämter oder Gerichten erlaubt wäre, den Kontostand oder die Kontobewegungen des Nicht-Zahlers abzufragen. Bisher ist es nur erlaubt, die reinen Kontostammdaten (und nur im Inland, versteht sich, ein weiteres Problem) abzufragen. Da wäre eine Gesetzesänderung überfällig, und ich sehe sie in zweiter Reihe auf uns zukommen.
  • Im Jahr 2014 (neueste Zahlen laut Bertelsmannstudie) bezogen 455.000 Kinder Unterhaltsvorschuss. Wenn sie ihn erhielten, überwies der Staat aber jeweils nur eine viel geringere Summe als die 145 € bis 194 €, die auf dem Papier stehen. Denn seit 2008 wird auf den UHV das volle Kindergeld angerechnet, sprich, es wird komplett vom Unterhaltsanspruch abgezogen. Rechtlich ist das problematisch, weil beim Unterhalt zahlenden Elternteil das hälftige Kindergeld anrechenbar ist, es also die monatlich zu überweisende Summe des Unterhalt zahlenden deutlich verringert. Auch da rechne ich mit Nachbesserungen, und das ist gut!

2) Alleinerziehende und ihre Kinder profitieren finanziell und emotional

  • Viele Alleinerziehende (38%) beziehen Hartz IV oder Sozialhilfe, etliche stocken auf (35% der Alleinerziehenden in Hartz IV sind Aufstocker). Sie werden trotz guter bis sehr guter Ausbildung (bei 78% der Fall) vom JobCenter bevorzugt in 1 € Jobs und Fortbildungen mit zweifelhaftem Sinn vermittelt. Für einige Familien macht die Ausweitung des UHV den Unterschied zwischen Hartz IV und „Freiheit“ – das kommentierten mir jetzt schon einige begeistert unter der Nachricht, dass der UHV ausgeweitet wird.
  • Der finanzielle und emotionale Druck wird gemindert, und der ist bei Alleinerziehenden nachweislich besonders hoch. Die Altersgrenze von 12 Jahren hing wie ein Damoklesschwert über etlichen Familien.

3) Studien und ihre Schlussfolgerungen zeigen Effekte!

Die Bertelsmannstudie „Alleinerziehende unter Druck“ brachte viele Fakten auf den Tisch und machte Verbesserungsvorschläge. Auch andere Studien nützen, sie werden offenbar im Familienministerium gelesen und ernstgenommen, und wir werden noch viel mehr Untersuchungen brauchen – all dies hilft. (Z.B. darüber, wie viele Alleinerziehende überhaupt keine Unterstützung im Alltag haben, wie viele Kinder von Alleinerziehenden ohne Kontakt zum Vater aufwachsen. Oder woran es liegt, dass der Kontakt abgebrochen ist, auch über die Trennungsgründe und die seelische Gesundheit der Mütter sollten wir mehr wissen.)

4) Signalwirkung für Alleinerziehende und Aktivisten durch Änderung beim Unterhaltsvorschuss

„Es hat sich nichts geändert in den letzten 20 Jahren“, „Die Alleinerziehenden haben es noch schwerer als früher“, solche Aussagen hört frau gar nicht selten von älteren, ehemals Alleinerziehenden. So etwas zu lesen kann einen schon mal runterziehen. Aber dass es offenbar doch möglich ist, politisch etwas zu bewegen, wird vielen Alleinerziehenden Mut machen. Das, was jetzt passiert, ist ein erster Schritt. Und auch wenn er längst überfällig war, so ist er doch sehr zu begrüßen.

Link zur Pressemitteilung des Familienministeriums vom 14.10.2016 (unter Punkt 6 steht die zukünftige Regelung zum Unterhaltsvorschuss)

Link zur Bertelsmannstudie „Alleinerziehende unter Druck“, aus der alle oben zitierten Fakten stammen