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Schulsport – muss das denn so sein!?

I have a dream. In Zeiten, in denen die Schule Medienkompetenz, Streitschlichtung und Lernkompetenz zu vermitteln als ihre Aufgabe sieht, könnte und sollte da nicht auch der respektvolle, freundliche Umgang mit dem eigenen Körper zumindest ein Ziel sein?

Ich frage mich das aktuell, weil meine älteste Tochter (13) mit schöner Regelmäßigkeit seufzend vom Schulsport nach Hause kommt oder morgens mit den Worten „Ochnöö, heute haben wir Sport…“ aus der Türe geht. Ebenso wie ich ist mein Kind weder spektakulär sportlich noch unsportlich. Wir sind beide ziemlich gut, was Ausdauer und Koordination betrifft, und herausragend schlecht in Ballsportarten, Leichtathletik und „Mädchensport“ wie Bodenturnen.

Es scheint sich sehr wenig geändert zu haben, seitdem ich vor 28 Jahren die Schule verließ: Nach wie vor machen Jungs andere Dinge (Kanu fahren!) im Sport als Mädchen (Räder schlagen und eine Kür vorführen. Sexistischer Bullshit, wenn man mich fragt). Und immer noch herrschen Noten und Leistungsdruck, wo eigentlich beigebracht werden sollte, dass der Körper dein bester Freund ist und wie man mittels Sport lernt, sich gut zu fühlen.

© banglds Fotolia.com
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Stattdessen gehen etliche Kinder mit einem flauen Gefühl zum Schulsport, weil sie wissen, dass sie bei der Auswahl der Mannschaften im Ballspiel wieder als letzte drankommen, und dass sie kein Rad können oder beim Felgaufschwung wie ein nasser Sack am Reck hängen. Beibringen kann man diese Dinge nur begrenzt, denke ich – und auch das geht nur, wenn der Lehrer überhaupt motiviert ist, den Kindern etwas beizubringen.

Oft ist es doch einfach so, dass benotet wird, wie gut ein Kind eine bestimmte Sportart bereits beherrscht (die es vielleicht sogar im Verein betreibt). Und wenn ich an die Bundesjugendspiele denke, wo Kinder mit langen Beinen Gleichaltrigen mit wesentlich kürzeren Beinen einfach davonlaufen oder viel weiter und höher springen, dann werde ich immer noch traurig. Denn ich war unter 110 Kindern meines Jahrgangs immer die, die am langsamsten lief und am kürzesten „weitsprang“. Das war so peinlich!

Was habe ich meine Mutter bekniet, dass sie mir eine Entschuldigung schreibt für solche Ereignisse. Hat sie aber nicht getan. Wenn ich wiederum meiner Tochter anbiete, sie wegen Kopfschmerzen (oder so) zu entschuldigen bei so einem Event, dann hat sie bisher immer abgelehnt. Das finde ich sehr tapfer. Oder ich habe irgendetwas richtig gemacht, denn sie hat ein gutes Selbstbewusstsein und sieht sich nicht als ganze Person infrage gestellt, wenn sie beim Sport schlechte Noten hat oder sich einfach ungeschickt anstellt. Ich bewundere meine Tochter dafür, denn für mich war das ein sehr langer Weg.

Heute weiß ich, dass ich sportlich bin, weil ich meine Sportarten gefunden habe. Das sind aber nicht die Dinge, die wir im Schulsport gemacht haben. Dass auch noch fast 30 Jahre, nachdem ich  mich als Teenie durch den Schulsport quälte, Noten und sozialer Druck dort ganz normal sind, anstatt dass Freude am bewussten, guten Umgang mit dem Körper nahegebracht wird, finde ich himmelschreiend rückständig. Was genau würde denn dagegen sprechen, bei Schulsport einfach die Noten abzuschaffen und mal etwas Neues wie Stretching oder Yoga zu unterrichten? Nicht, dass ich Yoga besonders mag. Aber ich mag Vielfalt und Offenheit und verabscheue Sexismus. Das Kultusministerium offensichtlich nicht. Schade.


Disclaimer: Dieser Blogpost wurde vor der Publikation von der großen Tochter abgesegnet.